Ein Mann mit einer Axt. Horrorfilme und die Zentralheizung sind schuld, dass wir nur das eine denken: den beilschwingenden Mörder. Nicht etwa den Opa, der das Kaminholz spaltet. Kein Wunder, dass es Stefan Schindler und ganz gewiss seinen Mitreisenden mulmig war, als der Künstler mit einer gerade geschenkten französischen Zimmermanns-Axt in den Zug von Bamberg nach Nürnberg stieg.
Ihre lange Schneide wölbt sich wie ein Henkersbeil, der Stiel indes ist kurz und gedrungen. Ein Werkzeug eben – und für Stefan Schindler eine weitere Axt in seiner Sammlung. Der Bildhauer, Jahrgang 1981, arbeitet seit fünf Jahren fast ausschließlich mit dem urtümlichen Werkzeug. Ihn reizen zum einen die Wucht und das Grobe der Axt, zum anderen ihre Schärfe und Genauigkeit.
Bis in die Fingerspitzen
Denn die Gesichter von Stefan Schindlers Skulpturen sind filigran, die Hände bis in die Fingerspitzen durchgearbeitet und die Füße bis zum großen Zeh. Wie er das macht? Stefan Schindler legt das Beil in flachem Winkel ans Holz, führt es mit kurzen Schlägen fast wie ein Schnitzmesser, schält Span um Span oder schneidet schmale Furchen. Der sozusagen letzte Schliff für Augen, Mund, Nase und Ohren – mit einem Werkzeug, das selbst Bauch und Schulter, Nacken, Kopf und Wange sowie Auge und Bart besitzt.
Rund 18 der Skulpturen besiedeln unter dem Titel „Zwischen den Welten“ aktuell den Garten des Tucherschlosses. Die ausdrucksstarken Wesen sind meist aus frisch geschlagenem Eichenholz. Mindestens 80 Zentimeter Durchmesser soll ein Stamm haben, bevor ihm die Spaltung die Spannung nimmt und es zum geeigneten Ausgangsmaterial für eine neue Skulptur macht.
Warten auf den Kuss der Muse
„Mit der Axt zu arbeiten, geht unheimlich schnell“, sagt Stefan Schindler. Er hat die Figur im Kopf, wenn er beginnt. Es gibt kein Modell, auch keine Skizze. Nur das Schnitzereisen in seiner Hand, das die groben Umrisse freilegt, und für die Feinheiten verschiedene Äxte. Die Skulpturen entstehen im kreativen Prozess aus einem Guss, in einem Zustand von Flow. „Der Künstler sehnt sich ja danach, dass ihn die Muse küsst“, sagt Stefan Schindler.
Die Sehnsucht kennt er gut. 2002 begann er die Ausbildung zum Holzbildhauer – oder besser Herrgottsschnitzer – in Oberammergau, studierte dann an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und ist seit 2011 freischaffender Künstler. Die Unsicherheit des Künstlerlebens nimmt er in Kauf, genießt auch ihre Freiheiten. Oft sitzt er vor seiner Werkstatt in einem Hinterhof in der Nürnberger Südstadt auf einer kleinen Bank, über sich den Sonnenschirm und neben sich wie einen Freund eine Skulptur. Er schlürft Kaffee und schaut. „Durch die ganzen Eindrücke kommt man schwer an den Punkt, wo man ganz leer ist.“
Eigentlich ist alles ganz einfach
Reinheit wie bei Ikonen oder in den Werken weltbekannter Künstler an. „Es ist eigentlich ganz einfach. Nur wir machen es uns so schwer“, sagt Stefan Schindler. Vielleicht arbeitet er deshalb so gern mit der Axt. Einem Werkzeug, das Menschen seit Jahrtausenden benutzen. Das präzise schlägt und ganze Bäume fällen kann. Das aber, in den Händen von Stefan Schindler, ebenso gut feingliedrige Engel und in sich gekehrte Gehörnte erschaffen kann. Ganz einfach, oder?
Christiane Bürger
17 / 8 / 2019 | 15:03
Ich bewundere nach wie vor Ihre Holzskulpturen. Leider habe ich es immer noch nicht in Ihrem Lehrgang geschafft, aber vielleicht klappt es doch einmal. Hoffe noch viele von Ihnen geschaffene Holzwesen in Ausstellungen zu sehen.