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23 / 7 / 2019

Der Körper als Leinwand

Andrea Stern bringt Bodypainting live in die Museen der Stadt

Das muss doch kitzeln! „Nicht so arg, wie man denkt“, sagt Andrea Stern. Die Bodypainting-Künstlerin arbeitet hauptsächlich mit Schwamm und Pinsel, wenn sie Menschen am ganzen Körper bemalt und sie in Blumen, Tiere, Wände und vieles andere verwandelt. Für einen Kalender paintet Andrea Stern ihre Modelle in den nächsten Wochen öffentlich an prominenten Orten Nürnbergs, darunter mehrere Museen.

Im Spielzeugmuseum hat sie kürzlich ihr Modell in eine Holzmarionette verwandelt. Auf die nackte Haut hat sie ein rotes Oberteil gemalt, die Gliedmaßen großflächig „hölzern“ und die Gelenke dunkelbraun. „Ich bin vor jedem Painting aufgeregt, immer noch“, sagt Andrea Stern. Wird alles so werden, wie sie sich das vorgestellt hat?

Eine Skizze zeigt das spätere Aussehen des Modells. Bildnachweis: Kunst-vom-anderen-Stern

Kreative Eingebung: Welches Motiv passt wo?

Es beginnt mit einer Idee oder genauer zwölf Ideen, für jedes Kalenderblatt eine neue. An historischen Orten sollen das oder die Modelle in thematisch passender Bemalung posieren. Für die Felsengänge stellt sich die Künstlerin Gespenstisches vor. Nicht immer ist der Gedankensprung so augenfällig. Für die Zeppelintribüne mit ihrer nationalsozialistischen Historie – „eine Herausforderung, denn solche Bilder werden ja in aller Welt gesehen“ – etwa plant Andrea Stern einen Kontrapunkt: Junge Menschen mit ausländischer Herkunft und dezidiert nicht-deutschem Aussehen schreiten aus der Wand heraus, das Gesicht ungeschminkt während der Körper durch die Bemalung mit dem Hintergrund verschmilzt. Ein Statement gegen Rassismus.

Aber die zündende Idee ist das eine, die Umsetzung des Projekts das andere. Für jeden ihrer Wunsch-Orte hat Andrea Stern mit den Museumsleitern gesprochen, für öffentliche Orte wie den Stadtpark die Genehmigung des Liegenschaftsamtes eingeholt. Plus Ortsbesichtigung, Anwerben der Modelle – am liebsten ohne Tattoos, die übermalt werden müssen, und ohne Piercings – und die Koordination der Termine.

Im Dürer-Saal wurde das Modell eins mit der Kopie des Dürer-Gemäldes „Adam und Eva“. Bildnachweis: Kunst-vom-anderen-Stern

Bitte dicke Socken einpacken

Und dann? Kann es losgehen. Also fast. Andrea Stern muss für ihre Paintings unter freiem Himmel sorgfältig packen. Die Farben (natürlich dermatologisch getestet), die Pinsel, ihre Kamera mit Stativ. Außerdem „habe ich immer einen Heizlüfter dabei, einen Umhang oder eine Rettungsdecke, die warm hält, und Tee. Ich sage den Models auch, sie sollen dicke Socken mitnehmen.“ Denn wer über Stunden nackt liegt, dem wird kalt. Oder heiß. Was fast noch schlimmer ist, denn dann schwitzen die Modelle und die wasserlösliche Farbe löst sich… Deshalb gibt es für alle Fälle auch einen Sonnenschirm oder sogar einen Pavillon.

Das fertig bemalte Modell wartet auf der Zeppelintribüne auf seinen Einsatz. Bildnachweis: Kunst-vom-anderen-Stern

Wenn Andrea Stern paintet, redet sie. Mit dem Modell, mit den Zuschauern, mit sich selbst. „Hört nicht auf sie, wenn sie sagt, ob das was wird?“, hat eine Freundin gesagt. Ist schon immer geworden. Vor zwei Jahren zum Beispiel hat Andrea Stern ihren ersten Bodypainting-Kalender produziert und dafür im Tiergarten gemalt. Ihre Modelle sitzen wie Papageien auf der Stange, sie schlängeln sich wie eine Boa constrictor oder tragen einen Gepard im Sprung auf der Haut. „Manche Kinder sind eine halbe Stunde stehengeblieben“, erinnert sie sich. So faszinierend ist das Painting.

Der Reiz für die Künstlerin ist ein anderer. Leinwand ist flach, der menschliche Körper dagegen dreidimensional und beweglich. Dazu kommt der enge, buchstäblich ja hautnahe Kontakt zu den Modellen. Je nach Motiv und Größe des Paintings – wenn nur der Rücken zu sehen ist, muss, logisch, die Vorderseite nicht bemalt werden – dauert das Entstehen zwischen vier und acht oder mehr Stunden.

Von der ersten Empörung zur WM

Wie alles begann? Andrea Stern erinnert sich an die erste Reaktion, als eine Freundin ihr das Bodypainting vorschlug: „Ich male doch nicht den ganzen Tag und die waschen das in fünf Minuten ab!“ Und dann hat es die ausgebildete Betriebswirtschafterin und praktizierende Heilpraktikerin doch probiert. Schon von Kind auf hat sie gemalt und gezeichnet, ihre Bilder schmücken ihre Wohnung. Und das Bodypainting gefiel ihr so gut, dass sie sich vor vier Jahren mit www.kunst-vom-anderen-stern.de selbstständig gemacht und schon zweimal an der WM der Sparte teilgenommen hat.

Zu ihr kommen zum Beispiel Schwangere, die emotionale Szenen ihres Lebens auf den Babybauch gepinselt haben wollen. Oder Firmen, die ein Thema oder Logo auf ungewöhnliche Art in die Öffentlichkeit tragen wollen. Unternehmen aus dem medizinischen Bereich lassen den Modellen zu Anschauung Muskeln, Knochen oder die Hautveränderung bei bestimmten Krankheiten auf den Körper malen.

Andrea Stern bei der Bodypainting-Aktion im Spielzeugmuseum. Bildnachweis: Kunst-vom-anderen-Stern; Foto: Christine Neubauer

Verschwunden im Dschungel

Und da sind dann noch die Menschen, die sich mit Bodypainting einen Traum erfüllen. Wie die junge Stuttgarterin, die das Ersparte für einen Tag der Körperkunst und viele Aufnahmen im nächtlichen Nürnberg angriff. Die Bemalung gefiel ihr so gut, dass sie damit nach Hause fuhr und sogar darin schlief. Oder wie das Pärchen, das seinen Neuseeland-Urlaub verewigen wollte. Dazu tapezierte es eigens ein Dschungel-Motiv als Fototapete auf die heimische Wand, Andrea Stern verzierte den Mann dann mit Maori-Tattoos und bemalte die Frau mit Pflanzen, so dass sie optisch mit dem Bild verschmolz.

Die perfekte Erinnerung an einen Neuseeland-Urlaub. Bildnachweis: Kunst-vom-anderen-Stern

Irre? Denken Sie jetzt vielleicht. Aber Sie wissen ja noch nicht, dass Andrea Stern gerade mit Unterwasser-Farben experimentiert und die Spiegelungen des Wassers auf den Körpern der Bodypainting-Modelle unglaubliche Effekte erzeugen…

Weitere Aktionen von Andrea Stern:
24.07.2019: Historische Felsengänge
30.07.2019: Museum Industriekultur
05.08.2019: Albrecht-Dürer-Haus
11.08.2019: Hesperidengärten
13.08.2019: Stadtmuseum im Fembo-Haus
14.08.2019: Zeppelintribüne
19.08.2019: Historische Felsengänge
20.08.2019: U-Bahn-Station Lorenzkirche
21.08.2109: Blick über den Dutzendteich zum Dokumentationszentrum
23.08.2019: Kettensteg
24.08.2019: Neptunbrunnen im Stadtpark (falls es regnet, findet die Aktion am 25.08. statt)
04.09.2019: Historischer Kunstbunker
05.09.2019: Museum Tucherschloss und Hirsvogelsaal
03.11.2019: DB-Museum

Andrea Stern kontrolliert im Museum Industriekultur die Farben auf dem Körper des Modells.

Und so sieht das fertig bemalte Modell aus kurz bevor es so positioniert wird, dass es komplett in der Dampfmaschine verschwindet. Bildnachweis: Kunst-vom-anderen-Stern

Um den Druck des Kalenders zu ermöglichen gab es auch in diesem Jahr wieder eine Crowdfunding-Aktion, die erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Der Kalender kann über die Website von Andrea Stern oder im Museum Industriekultur erworben werden
www.kunst-vom-anderen-stern.de

2 Kommentare zu “Der Körper als Leinwand

  • Gerd Tittel
    31 / 8 / 2019 | 11:00

    Schäi!!! Schlichdwech und ainfach!/ Schön. Schlichtweg und einfach!

    • Andrea Stern
      5 / 9 / 2019 | 7:48

      Lieber Gerd

      Ganz lieben Dank. Ich freue mich immer, wenn meine Kunst gefällt

      Sonnige & kreative Grüße
      Andrea

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