Von Haute Couture hat in Nürnberg im 15. Jahrhundert niemand gesprochen. Doch die Tucher haben die Mode ihrer Zeit getragen: Die Patrizierfamilie gehörte zur Elite der Stadtgesellschaft, durch ihr Handelsimperium hatten sie nicht nur beste Verbindungen in alle Welt sondern konnten sich auch den Luxus schöner Kleidung leisten. Eine Führung im Museum Tucherschloss stellt „Spitze, Samt und Seide – Mode zwischen Luxus und Verbot“ über fünf Jahrhunderte in den gesellschaftlichen Kontext.
Die Kleider dieser Zeit sind längst zerfallen. Deshalb orientiert sich Ulrike Heß bei ihrer Führung an den Porträts, die die Frauen und Männer der Familie Tucher zu besonderen Anlässen wie Verlobung oder Hochzeit von sich malen ließen. Sie zeigten sich dabei „im besten Staat“ und dokumentieren die Fashion ihrer Zeit. Ein paar Appetithäppchen:
Kopf und Frisur
Die Tucherinnen wirken streng. Ihre Gesichter sind ernst, die Haare sind glatt zurückgebunden und verschwinden unter einem Barett. Für das modische Accessoire, das oft aufwendig bestickt ist, hatten Frauen lange kämpfen müssen. Zuvor kamen sie (mit der Heirat) unter die Haube. Selbst die „Kronenbraut“ aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zeigt ihr Haar nicht offen. Auf ihrem Kopf thront – als Zeichen von Einfluss und Reichtum der Patrizierfamilie – eine perlenbestickte Brautkrone. Später, zur Zeit des Barock, änderte sich die Mode: Vornehme Damen türmten ihre Haare mithilfe von Haarteilen zu imposanten Gebilden, die mit Perlen und Steinen geschmückt werden.
Kragen
Hochgeschlossen, so lautete die Devise in Nürnberg und überall nördlich der Alpen. Italienische Damen dagegen zeigten während der Renaissance längst Busen … Dafür wurde der Kragen zum Ausweis von Stand und Wohlstand: Blütenweiß und aus feiner Spitze musste er sein. Teilweise wurden für die in Wellen gelegten Krägen bis zu sieben Meter Stoff verbraucht.
Schmuck
Goldketten und gefasste Edelsteine waren der Schmuck der Oberschicht, Perlen durften – wie die an der Brautkrone – nur zu besonderen Anlässen getragen werden. Schwere Ketten und Armbänder zierten vor allem die weiblichen Mitglieder der Familie Tucher, oftmals gehörten mit Wappen verzierte Kartuschen und Medaillons zu ihrer Ausstattung. Wie die Kleidung unterlag auch der Schmuck der Polizeiordnung, die vorschrieb, wer welche und wie viele Geschmeide tragen durfte. Gemessen wurde nach Wert und Gewicht. Ohrringe übrigens tauchten erst spät auf, noch im 17. und 18. Jahrhundert waren sie dem Adel und der Oberschicht vorbehalten.
Kleider
Samt und Seide stammten aus dem Orient, die Tucher importierten sie wie andere Luxusgüter über Venedig. Solche wertvollen Stoffe, womöglich mit Gold- und Silberfäden bestickt, trug nur die Oberschicht. Das galt auch für den gewässerten Schamlott, ein kostbarer Wollstoff, in dem Kamelhaar verwebt wurde. Dieser Stoff wurde im feuchten Zustand gepresst, dadurch entstand ein wellenartiges Muster, ähnlich dem des Moiré. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts trugen Damen und Herren unter dem Einfluss der spanischen Mode überwiegend schwarze Kleidung, aber nicht nur, wie Felizitas Tucher auf dem Gemälde anlässlich ihrer Verlobung zeigt.
Spitzen
Die vielleicht aufwendigste Art, Stoff zu produzieren. Für Nadelspitzen etwa wurden gespannte Fäden mit der Hand umstickt, das Klöppeln kam erst im 17. Jahrhundert auf. Die hauchzarten Spitzen bezogen die Tucher aus Italien oder auch aus Antwerpen, sie schmückten kleine wie ausladende Krägen und Manschetten. Im Barock war die Herstellung der Spitzen nicht mehr so arbeitsaufwendig: Maria Anna Clara Tucher etwa trug 1777, nach französischem Vorbild, mehrere Lagen Spitze übereinander und schmückte sie mit Seidenbändern.
Pelz
Nur der Adel durfte Pelz tragen. Getreu dem Motto, dass „ein jedes nach seinem Stande“ zu erkennen sein sollte. Das ändert sich mit dem Erstarken des Bürgertums: Im Barock wärmten Damen ihre Hände im Pelzmuff, Kleider und Mäntel waren „verbrämt“ – also mit Pelzstreifen besetzt.
Hose
Über Jahrhunderte trugen Männer kurze Hosen und lange Strümpfe. In der frühen Neuzeit betonten Strümpfe ihre Beine, darüber zog man eine Pumphose – gern mit der von der Ritterrüstung übernommenen und gepolsterten Schamkapsel. Als sich die Mode wandelte, kam die Kniehose en vogue. Auf dem 1591 entstandenen Verlobungsbild von Johann Jakob Imhoff, der eine Tucher heiratete, ist ein raffiniertes Modell mit geschlitztem Stoff zu sehen, das den Blick auf eine zweite, farbige Stofflage freigibt. Die ersten langen Hosen der Kleidungsgeschichte gehören zum Anzug, der im 19. Jahrhundert „erfunden“ wurde.
Das Drunter
Die Unterwäsche blieb den Blicken verborgen. Die Damen werden vermutlich lange Hemden aus Barchent, einem Leinen-Baumwoll-Gewebe, getragen haben. Unterhosen im heutigen Sinne gab es erstmals im 19. Jahrhundert. Und die Männer? Befestigten die Strümpfe an einer Art Hüfthalter und ließen ein Unterhemd darüber fallen, bevor die Strümpfe mit einer Naht zur Strumpfhose bzw. langen Unterhose wurden. Die Stoffe, die sich die Oberschicht leisten konnte, waren vermutlich viel feiner als das grobe Leinen, der ruppige Wollstoff und die kratzigen Strümpfe der kleinen Leute.
Schuhe
Schau Dir die Schuhe an, dann weißt Du, mit wem Du es zu tun hast. Diese (noch heute gültige) Alltagsweisheit galt möglicherweise schon in der Frühen Neuzeit. Doch was unter langen Kleidern getragen wurde, blieb unsichtbar. Deshalb kann Ulrike Heß nur auf die spitzen Schnabelschuhe verweisen, die für das Mittelalter belegt sind. Johann Jakob Imhoff jedenfalls trug 1591 einen ziemlich groben Schuh mit stumpfer Spitze, Modell Ochsenmaul-Treter. Damals der letzte Schrei!
Ulrike Heß hat sich für die Führung eingehend mit Mode, Kleidungsgeschichte und der Patrizierfamilie Tucher auseinandergesetzt. Am meisten haben sie „die Vielfalt und Qualität der Stoffe“ überrascht und „dass die Tucher so weltläufig waren“. Wer mehr erfahren möchte, besucht am besten die Führung.
Informationen zur Führung „Spitze, Samt und Seide. Mode zwischen Luxus und Verbot“
Bildnachweis: Alle abgebildeten Gemälde sind Leihgaben der Tucher’schen Kulturstiftung im Museum Tucherschloss und Hirsvogelsaal.