Die Geschichte ist anrührend und vor allem ist sie wahr: Der jüdische Zeichner Bedrich Fritta wurde 1941 mit Frau und Kind im Ghetto Theresienstadt interniert. Neben technischen Zeichnungen und den Porträts von Gestapo-Offizieren malte er Ghetto-Leben und Szenen einer heilen Welt für seinen Sohn Tommy. In den Bildern erblickte die Gestapo allerdings Kriegspropaganda und ließ Fritta nach Ausschwitz deportieren, wo er starb. Nur der kleine Tommy überlebte und sein Vermächtnis an Zeichnungen. Daraus hat Alexander Baginski vom Figurentheater Pantaleon in München ein Stück gemacht. „Wenn ich einmal groß bin“ führt er am 21. März im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände auf.
Herr Baginski, wenn Sie nach Nürnberg kommen, spielen Sie an einem Ort der Täter. Was bedeutet das für Sie?
Alexander Baginski: So ein Ort ist immer ein besonderer. Weil er ja nicht nur ein Ort der Täter war, sondern auch der Opfer. Die Stimme der Opfer mit meinem Stück zum Klingen zu bringen, ist mir ein Anliegen. Ich zeige auch, dass der Gestapo-Offizier zum Beispiel, der Fritta verhört, kein Dummkopf ist – sondern ein intelligenter Zyniker, das macht ihn so gefährlich. Da sehe ich Parallelen zu heute.
Was können, was sollen die Zuschauer lernen?
Das wäre ein sehr hoher Anspruch! Wir sind ja nicht die Ersten, die eine solche Geschichte erzählen – und ob das etwas ändert? Ich würde mir aber etwas sehr wünschen. Dass ich Jugendliche und Erwachsene mit „Wenn ich einmal groß bin“ so berühren könnte, dass ein Denkprozess beginnt.
Können Sie reale Geschichte auf diese Art und Weise vermitteln – oder verharmlost das Figurentheater nicht allzu sehr?
Da müssen Sie das Stück sehen, das ist überhaupt nicht harmlos. Die Figuren liegen mir am Herzen, das ist sehr persönlich. Der Vater ist ein Spielball, das spüren die Zuschauer sehr direkt. Wir hatten zuerst überlegt, ob ihm der Offizier im Verhör den Arm verdreht oder ihn schlagen soll – und haben es dann gelassen, es wäre zu brutal.
Wie sind Sie auf die Geschichte von Bedrich Fritta gekommen?
Das Buch habe ich vor vielen Jahren in einem Antiquariat gesehen. Es hat mich sehr berührt, zu sehr. Denn damals waren meine Söhne in dem Alter von Tommy. Da habe ich das Buch stehenlassen. Es ist mir aber nie aus dem Kopf gegangen und als ich vor zweieinhalb Jahren mit meiner Frau über Projekte gesprochen habe, wollte ich etwas damit machen. Aber wie kann das funktionieren? Mein Konzept ist eine Teilung: auf der einen Seite eine Verhörsituation, in der ein Gestapo-Mann Fritta zur Malerverschwörung befragt und in der man viel über die Zeitumstände erfährt. Auf der anderen Seite gibt es im Mittelteil die sehr menschliche Situation von Vater und Sohn, in der der Vater seinem Tommy das Leben zeigen will.
Was berührt Sie am meisten?
Mein Regisseur Ioan C. Toma, der aus Rumänien kommt und ein totalitäres System aus eigener Erfahrung kennt, und ich haben die Gefahr gesehen, das Thema zu sentimental anzugehen. Wir haben versucht, etwas in der Richtung von „Inglorious Basterds“ und Roberto Benignis „Das Leben ist schön“ zu finden. Wir haben während der Proben viel gelacht. Sie fragen, was mich am meisten berührt? Wenn ich spiele, muss ich eine professionelle Distanz haben, sonst kann ich die Zuschauer nicht mitnehmen. Emotional gelungen finde ich aber die Haarschleife, die zum Schmetterling wird und die Frau und Mutter symbolisiert. Und es gibt die Szene, in der der Gestapo-Mann Fritta dazu bringt, jüdische Witze zu erzählen. Wir empfinden das heute vielleicht als makaber, aber das war ja die Stärke der Juden, über ihre ausweglose Situation auch noch lachen zu können – ein Zeichen ungebrochener Vitalität.