Im 17. Jahrhundert brachte die Künstlerfamilie Sandrart eine Vielzahl erfolgreicher Maler, Radierer und Zeichner hervor – allen voran natürlich Joachim von Sandrart, dem wir nicht nur herausragende Werke der Barockmalerei zu verdanken haben (das Friedensmahl kommt einem in den Sinn), sondern auch die mehrbändige Teutsche Academie der Edlen Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste, die als eine der ersten kunsttheoretischen Schriften in deutscher Sprache gilt. Nicht minder bekannt dürfte auch Joachims Neffe sein, Jacob von Sandrart, auf dessen Initiative hin 1662 in Nürnberg die erste deutsche Kunstakademie gegründet wurde, eine Institution, die bis zum heutigen Tag angehende Künstler in die handwerklichen Grundlagen ihres Metiers einführt.
Eine Frau im Männerberuf
Wir aber wollen uns heute einem anderen, weniger bekanntem Mitglied der Familie zuwenden: Susanna Maria von Sandrart nämlich, Tochter von Jacob, geboren im Jahre 1658, gestorben vor ziemlich genau dreihundert Jahren, im Dezember 1716. In der barocken Gesellschaft des 17. Jahrhunderts wird Susanna (wie die meisten andere Frauen ihres Standes auch) eigentlich zur Hausarbeit erzogen – eine Karriere als Künstlerin ist für sie als Frau nicht vorgesehen. Ihrer Begeisterung für die Kunst tut das jedoch keinen Abbruch. Bereits in jungen Jahren beginnt sie mit dem Zeichnen. Und obwohl ihr der Zutritt zur Maler-Akademie ihres Vaters verwehrt bleibt (da Männern vorbehalten), entwickelt die Autodidaktin doch bald ein solches Geschick, dass ihr Vater Susannas Radierungen in seiner Kunsthandlung zu nutzen beginnt.
Stark beeindruckt von Susannas Talent zeigte sich auch der Meister höchstselbst, Großonkel Joachim von Sandrart. In seiner bereits erwähnten Teutschen Academie schreibt er über die gerade einmal 20-jährige Susanna, sie habe „der Zeichen-Kunst Vollkommenheit wol begriffen und folgends von selbsten sich beflissen/ in Kupffer zu radiren: mit welcher Profession sie nach und nach bey wenig Jahren so verstandfertig und vollkommen worden/ daß sie ohne Versaumnus der Hausgeschäffte/ Gebäude/ Landschafften und andere Zierlichkeiten/ auch schöne Historien/ in rechter Geschwindigkeit/ wol und kunstgemäß weiß auszubilden.“ Mehr, fügt Joachim von Sandrart noch hinzu, traue er sich gar nicht sagen, befürchte er doch, dass der Leser jedes weitere Lob nur zu Unrecht auf die enge Verwandtschaft zwischen ihm und Susanna schieben würde.
Mutter, Künstlerin, Mutter
Susannas Karriere als Künstlerin gerät ins Stocken, als sie 1683, im Alter von 25 Jahren, mit dem zwanzig Jahre älteren Maler Johann Paul Auer verheiratet wird – einem Kollegen des Vaters an der Kunstakademie. Die beiden haben zwei Kinder, die noch im Kleinkindalter sterben. Nach vier Jahren Ehe stirbt auch Johann Paul Auer, und die frisch verwitwete Susanna wendet sich einmal mehr der Kunst zu: Für die Kunsthandlung ihres Vaters fertigt sie nun wieder Radierungen an. Acht Jahre lang kann sie so ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten, ehe sie, auf Anraten der Eltern, 1695 schließlich eine zweite Ehe mit dem Nürnberger Verleger und Buchhändler Wolfgang Moritz Endter eingeht. Endter – ebenfalls Witwer – bringt sechs unverheiratete Töchter mit in die Ehe, um die sich Susanna fortan kümmern muss.
Für eine künstlerische Betätigung bleibt in dieser neuen Rolle kaum noch Zeit. In den Jahren bis zu ihrem Tod entstehen nur noch wenige Radierungen, auch, weil ihre Sehkraft im Alter zunehmend nachlässt. Zwischen 1713 und 1716 fasst Susanna Maria von Sandrart die von ihr gefertigten Stiche und Zeichnungen schließlich zu einem Sammelband zusammen, den sie ihrem Ehemann widmet. Heute wird der Band als Leihgabe der Stadt Nürnberg im Germanischen Nationalmuseum aufbewahrt. Ihm ist es zu verdanken, dass wir auch heute noch ihre Werke bewundern und über ihr Leben berichten können.
Der Beitrag geht zurück auf den ausführlichen Artikel „Die Künstlerfamilie Sandrart“ von Dr. Andreas Curtius, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg. Er erschien im Katalog „1662-1806. Die Frühzeit der Nürnberger Kunstakademie“ zur gleichnamigen Ausstellung im Stadtmuseum im Fembohaus 2012.
Bearbeitung des Artikels für den Blog: Sebastian Heider.