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22 / 6 / 2016

Elisabeth Krauß

Wie ein Dienstmädchen zur reichsten und sozial engagiertesten Frau Nürnbergs wurde

Nürnberg war seit jeher auf Zuwanderung angewiesen. Selbst viele der „alten“ Patrizierfamilien kamen ursprünglich von auswärts. Denn nur die Stadt bot enorme Chancen – und Hoffnungen – für einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufstieg. In vielen Fällen aber ging die Hoffnung auf Glück und Wohlstand nicht in Erfüllung.

Hier ein eher untypischer Lebenslauf und Beispiel einer reichsstädtischen Erfolgsgeschichte: Wie konnte im 16./17. Jahrhundert eine völlig mittellose Halbwaise, die aus dem benachbarten Markgrafentum Ansbach-Bayreuth in die Reichsstadt Nürnberg zuwanderte, zu einer der reichsten Frauen hier – wenn nicht gar in ganz Deutschland – und zu einer der bekanntesten Stifterinnen ihrer Zeit werden?

Michael Herr: Bildnis der Elisabeth Krauß, um 1630. Foto: Erich Malter

Michael Herr: Bildnis der Elisabeth Krauß, um 1630. Bildnachweis: Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Inv.-Nr. Gm 3357. Foto: Erich Malter

 

Elisabeth Streit – von Bronnamberg nach Nürnberg

Mit der Hoffnung auf ein besseres Leben wurde die zehnjährige Elisabeth Streit aus Bronnamberg bei Zirndorf 1579 in die boomende Wirtschaftsmetropole Nürnberg geschickt. Ihre Familie lebte auf dem Land in ärmsten Verhältnissen und als der Vater starb, sollte das kleine Mädchen als Dienstmagd in der Großstadt selbst ihren Lebensunterhalt verdienen.

Eine folgenreiche Heirat

Als Dienstmädchen arbeitete Elisabeth Streit hier nun etwa 19 Jahre hart und entbehrungsreich, bis eine Heirat die glückliche Wendung ihres Schicksals brachte. Sie lernte den sieben Jahre jüngeren, relativ gut situierten Kaufmann Konrad Krauß kennen, der – ebenfalls von auswärts – aus Kitzingen nach Nürnberg gekommen war.

Der Altersunterschied der beiden und ihr Herkommen aus unterschiedlichen sozialen Milieus verblüfft zunächst. Sicherlich war es aber für den neu zugezogenen Konrad Krauß von Vorteil, dass sich seine Elisabeth im „großstädtischen“ Nürnberg bereits auskannte und die Spielregeln der Metropole beherrschte. Und vermutlich erkannte er sogleich, dass sie ihre Fähigkeiten nun auch in den gemeinsamen Hausstand und in das Handelsgeschäft gut einbringen konnten.

Aufstieg der Familie Krauß

Elisabeth und Konrad Krauß hatten zusammen drei Kinder, von denen zwei jedoch bald verstarben. Diesen Verlust kompensierte das Ehepaar mit verstärkten geschäftlichen Aktivitäten. Konrad Krauß verlegte sich zunehmend auf den Handel mit Lebensmitteln, Tuchen und Metallwaren. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg stellte sich auch eine fortschreitende Integration in die ökonomische Oberschicht der Reichsstadt Nürnberg ein. 1614 wurde Konrad Krauß als Handelsmann Genannter des Größeren Rats. Und 1624 gelang es ihm, von Kaiser Ferdinand II. in den Adelsstand erhoben zu werden.

Wirtschaftlicher und sozialer Erfolg – in einer schweren Zeit

Der gesellschaftliche und wirtschaftliche Aufstieg der Familie erlitt jedoch in dem für die Reichsstadt Nürnberg katastrophalen Kriegsjahr 1632 eine jähe Zäsur. Den grassierenden Epidemien fielen auch der Kaufmann Konrad Krauß – am 22. Januar 1632 – und etwa 11 Monate später auch der gleichnamige Sohn – am 29. Dezember – zum Opfer. Im Alter von 63 Jahren war die Handelsfrau Elisabeth Krauß nun ohne Familie auf sich allein gestellt. Mit Disziplin, Fleiß und Geschäftssinn gelang es ihr jedoch, das Handelsgeschäft auch alleine erfolgreich weiterzuführen.

Wohltäterin aufgrund eigener Erfahrung

Aus eigener Erfahrung sensibel für die Not ihrer Mitmenschen, spendete sie nun aber den Großteil ihres Einkommens für Arme und Waise. Sie kümmerte sich nahezu mütterlich besonders um bedürftige Waisenkinder, nahm sie in ihrem geräumigen Haus auf und sorgte sich um deren Nahrung und Wohl, um ihre schulische und religiöse Ausbildung. Am populärsten war die jährliche „Johannismahlzeit“ jeweils am 24. Juni für die Findelkinder in Nürnberg, ein üppiges Festmahl mit Bier und Bratwürsten.

Testament von Elisabeth Krauß, 1639. Bildnachweis: Stadtarchiv Nürnberg D 23 Nr. A 30

Testament von Elisabeth Krauß, 1639. Bildnachweis: Stadtarchiv Nürnberg D 23 Nr. A 30

Stiftung für die Zukunft Nürnbergs

Wohl im Gedenken an ihre eigenen allzu früh verstorbenen Kinder, lag Elisabeth Krauß die Ausbildung von jungen Leuten ganz besonders am Herzen. Mit ihrem Testament errichtete sie 1639 eine der bedeutendsten und reichsten bürgerlichen Stiftungen im evangelischen Deutschland der Frühen Neuzeit. Allein bis zum Ende des 18. Jahrhunderts förderte die Stiftung mehr als 500 Stipendiaten, bis zum Jahr 1924 vermehrte sich diese Zahl um weitere 1000.

Durch die Inflation 1922/23 und die Währungsreform 1948 wurde das Stiftungsvermögen schwer geschädigt. Daraufhin wurde die Stiftung 1949 der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern übertragen und 1994 mit neuer Satzung als kirchliche Stiftung anerkannt.

So haben die einstigen Zuwanderer Elisabeth und Konrad Krauß der Stadt Nürnberg, die ihnen für viele Jahrzehnte zur neuen Heimat geworden war, etwas zurückgegeben, wovon Nürnberg lange Zeit profitierte – bis heute.

Titelblatt der 1639 in nürnberg gedruckten und von Johann Jacob Rüd verfassten Leichenpredigt zum Begräbnis von Elisabeth Krauß. Bildnachweis: Stadtarchiv Nürnberg A 31 Nr. 399

Titelblatt der 1639 in Nürnberg gedruckten und von Johann Jacob Rüd verfassten Leichenpredigt zum Begräbnis von Elisabeth Krauß. Bildnachweis: Stadtarchiv Nürnberg A 31 Nr. 399

Am 5. April 1639 starb Elisabeth Krauß in Nürnberg. Außer ihrem Grab auf dem Rochusfriedhof und Schriften im Stadtarchiv erinnern heute noch ein Straßenname in Nürnberg sowie die nach ihr benannte Schule der Lebenshilfe Fürth e.V. in Oberasbach, unweit von ihrem Geburtsort Bronnamberg, an die mildtätige Migrantin Elisabeth Krauß.


Dr. Bernhard Ebneth ist Mitarbeiter der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München.

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