Kunstgärtner Martin Weimar, Jahrgang 1959, hat das „TUCHER FLORILEGIUM“ im Tucherschloss und im Hirsvogelsaal konzipiert. Seine Installation setzt Pflanzen und Kunst, Geschichte und Raum in Dialog. Sie ist vom 2. Mai bis zum 9. August 2015 zu sehen.
Herr Weimar, wie machen Sie das, dass die Horntulpen im Hirsvogelsaal in der Blauen Nacht auf den Punkt blühen?
Die Horntulpe kenne ich ewig, ich habe sie über Jahre beobachtet und weiß, wann sie bei welcher Witterung blüht. Aber es kam nicht nur darauf an, die Zwiebeln zu einem bestimmten Zeitpunkt zu pflanzen – sondern zu kaufen. Diese Tulpensorte ist eine Rarität und ich brauchte 200 Zwiebeln! Trotzdem war’s kritisch: Niemand treibt so spät Tulpen. Weil die Temperaturen schon hoch waren, habe ich den letzten Schnee auf die in Erde gebetteten Tulpen gehäuft und die Paletten mal in den Schatten, mal in die Sonne geschoben – so ging das über die letzten vier Wochen.
Kannten die Tuchers, die im 16. Jahrhundert gelebt haben, überhaupt schon Tulpen?
Tulpen auf jeden Fall, die waren ja das Spekulationsobjekt schlechthin. Der Neuseelandflachs, den ich auch installiert habe, kam sehr früh aus fremden Ländern. Und die farnartige Silberkerze muss zumindest als Variation der Wildpflanze bekannt gewesen sein.
Pflanzen sind auf Gemälden zu sehen, sie begleiten Skulpturen oder verzieren Architektur als Ornament – welche Funktion haben sie?
Im Mittelalter waren Pflanzen Symbol für Inhalte, sie repräsentierten beispielsweise Unschuld, Liebe oder Geduld. Genau das wandelt sich in der Renaissance: Die Pflanze als solche wird wahrgenommen und als Besonderes entdeckt, das versuche ich, im „TUCHER FLORILEGIUM“ zu fassen. Pflanzen sind naturwissenschaftliches Objekt und zugleich Statussymbol. Kurz: Je gescheckter die Tulpe, desto bedeutender ihr Züchter. Pflanzen werden auch Handelsobjekt. Safran, Pfeffer und anderen Gewürzen haben wir zu verdanken, dass es das Tucherschloss gibt.
Wie passen Kunst und Gärtnerei für Sie zusammen?
Schon rein biographisch: Ich bin da hineingewachsen. Zuerst in die Gärtnerei, dann in die Floristik mit ihrem gestalterischen Element. Aber ich dachte: Mit Pflanzen muss doch noch etwas anderes möglich sein als nur der dekorative Effekt und habe Kunst bei Spoerri studiert. Heutzutage springt es ineinander über: Bei meinen Einkaufstouren für den Laden habe ich immer ein Auge darauf, was mich künstlerisch inspiriert. Ich reflektiere mit meinen Arbeiten auch die Gewohnheiten und Ansprüche der Kunden. Der Naturzugang wandelt sich komplett: Heute sollen Pflanzen 100 Jahre blühen, winterhart sein und sich am besten selbst putzen.
Aber Pflanzen sind vergänglich, Kunst dagegen – wünschen wir uns – soll ewig währen. Wie passt das zusammen?
Das Geheimnis sind die Fotografen, die machen das ewig! Die Museumsleute und die Betrachter die wollen, dass die Pflanzen blühen und so bleiben – aber die Pracht im Hirsvogelsaal, die ist morgen schon weg oder spätestens übermorgen. Ich finde diese Vergänglichkeit absolut reizvoll. Deshalb müssen meine Arbeiten eine Leichtigkeit haben, etwas Dahingehauchtes.
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