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8 / 10 / 2019

Der Vergessene

Aus dem Leben des Johann Andreas Graff

1636 wurde in Nürnberg ein Künstler geboren, der mit seinen filigranen und unglaublich detailreichen Stadtansichten das Bild des barocken Nürnbergs prägte wie kein zweiter: Johann Andreas Graff. Seine „Nürnberger Prospecte“, die hauptsächlich während seiner letzten fünfzehn Schaffensjahre entstanden, sind allerdings nicht nur von unschätzbarer geschichtlicher Bedeutung, sondern stellen auch künstlerisch eine Meisterleistung dar – und sind zweifelsfrei die kreative Krönung eines turbulenten Lebens.

Diese Darstellung der ehemaligen Heilig-Geist-Kirche ist heute auch in der Ausstellung „Krone – Macht – Geschichte“ im Stadtmuseum im Fembo-Haus zu sehen. Bildnachweis: Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen

Lehrjahre sind keine Herrenjahre …

Nach dem frühen Tod seiner Eltern übernahm sein Taufpate Andreas Auer die Vormundschaft für Graff. Der aus Wien zugewanderte Weinhändler sorgte für seine gründliche Schulbildung bis zur Hochschulreife. Ein Studium der Philosophie, Jura oder Medizin war allerdings nicht so ganz das richtige für ihn. Stattdessen hatte es ihm das Zeichnen angetan. Im Nürnberger Stadtmaler Leonhard Heberlein fand er rasch einen geeigneten Lehrmeister, der ihn in den nächsten Jahren mit den Grundlagen seiner Kunst vertraut machte. 1653, kaum 17 Jahre alt, verließ Graff die Heimat und machte sich auf den Weg nach Frankfurt, um dort seine Ausbildung in der Malerwerkstatt von Jacob Marrell fortzusetzen. Fünf Jahre lang lernte Graff unter dem versierten Stilllebenmaler und erwarb bei ihm das Rüstzeug für seine spätere Karriere.

Sein Aufenthalt in Frankfurt sollte sich jedoch nicht nur aus beruflicher, sondern auch aus persönlicher Sicht als prägend erweisen für sein späteres Leben. Denn in Marrells Haushalt lernte er auch seine spätere Ehefrau kennen: Maria Sibylla Merian. Sie war die Tochter von Marrells Frau Johanna Sibylla aus erster Ehe und war fast 11 Jahre jünger als Graff. Wie er erhielt sie Zeichenunterricht von Marell und sollte später (es braucht eigentlich nicht extra erwähnt werden) als eine der bedeutendsten Naturforscherinnen und Künstlerinnen des 17. Jahrhunderts in die Geschichtsbücher eingehen.

J. M. Zell: Porträt der Maria Sibylla Merian. Bildnachweis: Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen

… und Wanderjahre keine Ehejahre

Als er seine Ausbildung im Jahre 1658 abgeschlossen hatte, begab sich Graff auf Wanderschaft. Die große, weite Welt (sprich: Italien) lockte den frischgebackenen Künstler mit der Aussicht auf neue Erfahrungen und lehrreiche Begegnungen mit ihrer tausendjährigen Geschichte. Nach einem längeren Aufenthalt in Venedig reiste Graff über Genua und Florenz nach Rom. Dort wurde er Mitglied der Malergilde „Bändvögel“ und legte zwischen Petersdom und Kolosseum eine umfangreiche Mustersammlung an, die er noch Jahrzehnte später in Nürnberg auswerten sollte.

1664 kehrte Graff schließlich zu seinem alten Lehrmeister nach Frankfurt zurück und machte dort Maria Sibylla Merian den Hof, die mittlerweile erfreulicherweise ins heiratsfähige Alter vorgerückt war. Man schloss die Ehe und übersiedelte 1668, kurz nach der Geburt der ersten Tochter, wieder nach Nürnberg, wo sich Graff und Merian in einem Anwesen unterhalb der Kaiserburg ein Atelier einrichteten. Die nächsten vierzehn Jahre verbrachte man in arbeitsamer Zweisamkeit: Graff mit seinen Stichen und Zeichnungen, Merian mit ihren Zeichnungen und Insektenstudien. Dann, im Jahre 1681, starb Jacob Marrell.

Eine Zeit großer Veränderungen

Der Tod von Merians Stiefvater und Graffs Lehrmeister war der Anfang vom Ende ihrer Ehe. Zur Regelung von Erbfragen kehrte die mittlerweile vierköpfige Familie – 1678 war die zweite Tochter zur Welt gekommen – nach Frankfurt zurück. Anschließend reiste sie zusammen mit der verwitweten und mittellosen Mutter Maria Sibylla Merians weiter nach Schloss Walta-State bei Wieuwerd in den Niederlanden, wo Merians Stiefbruder Caspar in einer Kolonie der frühpietistischen Labadisten-Sekte für Graff, Merian & Co. eine neue Heimat gefunden hatte.

Die strenggläubigen Labadisten beäugten Graff jedoch mit Misstrauen und verwehrten ihm trotz mehrmaliger Bemühungen die Aufnahme in ihre Gemeinschaft. Die Gründe für diese Entscheidung sind nicht überliefert. Vor die Frage gestellt, ob sie weiter bei ihrem Mann oder zusammen mit ihrer Mutter und den beiden Töchtern bei den Labadisten bleiben wolle, entschied sich Merian für letzteres. Entmutigt und desillusioniert kehrte Graff ohne seine Familie zurück in seine Heimatstadt und beantragte nach langem Zögern die Scheidung, der 1694 vom Nürnberger Rat stattgegeben wurde.

Johann Andreas Graff: Der Herrensitz Schoppershof. Bildnachweis: Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen

Ein letzter Neubeginn

Noch im selben Jahr ehelichte Graff seine zweite Frau – die dreißig Jahre jüngere Anna Maria Hofmann, die ihm zwei Söhne schenkte. Von ungebrochenem Schöpfungsdrang beseelt, vollendete er nun, am Ende seines Lebens, sein wohl wichtigstes künstlerisches Projekt: die Herausgabe der „Großen Stadt-Prospecte“, einer Sammlung mit Ansichten von Nürnberger Kirchen, Straßen und Plätzen, an denen er Jahrzehnte gearbeitet hatte. Sie wurden zum Verkaufsschlager und erregten schlussendlich auch die Aufmerksamkeit der Nürnberger Obrigkeit, die im Herbst 1701 mit einem lukrativen Auftrag an Graff herantrat. Er sollte Kupferstiche von bedeutenden Kirchenfenstern und Gemälden anfertigen. Sie auszuführen, dazu kam er leider nicht mehr – Johann Andreas Graff starb am 6. Dezember 1701, wenige Wochen nach Beginn der Arbeit, im Alter von 65 Jahren.

Eine Ausstellung zu Johann Andreas Graff war 2017 in der Stadtbibliothek Nürnberg zu sehen. Bildnachweis: Theo Noll

Die Museen der Stadt Nürnberg erinnern mit zwei Online-Ausstellungen auf Google Arts & Culture an den begnadeten Künstler. Sie geben einen Einblick in seine „Nürnberger Prospecte“ und dokumentieren die Geschichte der von Graff abgebildeten Orte und Gebäude.
Pionier der Stadtansichten.
Ein Rundgang durch Nürnberg auf den Spuren von Johann Andreas Graff
Teil 1: Die Sebalder Altstadt
Teil 2: Die Lorenzer Altstadt


Der Text basiert auf dem ausführlichen Artikel „Johann Andreas Graff – Annäherung an einen Vergessenen“ von Margot Lölhöffel in dem Ausstellungskatalog „Johann Andreas Graff, Pionier Nürnberger Stadtansichten“, herausgegeben vom Förderverein Kulturhistorisches Museum Nürnberg e.V. (ISBN 978-3-00-056458-1), Seite 42-51. Er wurde von Sebastian Heider für den Museenblog bearbeitet.

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