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11 / 6 / 2019

„Wer uns finden will, findet uns“

Merks Motor Museum ist mehr als ein nostalgischer Geheimtipp

Das Nürnberger Privatmuseum ist authentisch, es „lebt“, es ist „echt“, es ist echt überraschend. Und es ist abgelegen. In einem Beinahe-Industriegebiet, im Discotheken-Viertel. Wer Einheimischer ist, kennt den Stadtteil im Nord-Osten, und der weiß auch, dass es nicht wirklich am Hauptmarkt ist, nicht einmal in der Innenstadt. Doch den Merks macht das nichts, entgegnet die Leiterin Christine Cameron, geborene Merk und sie, verheiratet mit einem Kanadier, strahlt: „Wir machen das mit Leidenschaft wett. Wer uns finden will, findet uns.“ Das „MMM“ liegt praktischerweise in der Nähe des „Ofenwerks“, und auch mit dem Museum Industriekultur sei man freundschaftlich-rege verbunden. Das zu betonen ist ihr wichtig, denn das Technische, die Liebe zu alten Fahrzeugen und zu nostalgischen Gerätschaften im Allgemeinen, verbindet die drei Ausstellungs-Institutionen. Und das wissen die Besucher.

Über 5.000 sind es mittlerweile pro Jahr, davon ein Drittel aus dem Ausland. Technikfreaks. Touristen. Amerikaner von Kreuzfahrtschiffen, „34 Euro vom Hafen zu uns“. Italiener. Russen. Eben aus aller Welt. Das Internet macht es möglich, Empfehlungen, Flyer. 2009 wurden die Räume umgebaut, und nach der Eröffnung des „MMM“ 2011 ging´s zur Sache: Cameron, die sympathische 35-Jährige, krempelte seitdem die Ärmel hoch und legte mutig los. Ihre temperamentvoll-offene Art kommt bestens an bei den Besuchern. Sie spricht fließend Englisch und Fachchinesisch, und wer fragt, staunt: Mitunter ist sie die bessere Kennerin der derzeit 93 vierrädrigen Fahrzeuge.

Zeugnisse der auch in Nürnberg einst florierenden Zweiradindustrie: Motorräder und Kleinkrafträder.

Nach wie vor ist das eine Männerdomäne? „Doch“, antwortet sie, „man muss sich da durchbeißen. Aber es gelingt, ich habe mich immer schon für Technik begeistert.“ Gefühlt seien ein Zehntel der Besucher fachkundig; die freuen sich, wenn mal jemand die Motorhauben öffnet. Die Frauen auch? „Oft werden sie mitgeschleift, anfangs…“, schmunzelt die Museumsleiterin über solche Klischees, „doch wenn sie mal hier waren, entdecken sie, dass wir mehr zeigen als bloß Autos quer durch die Jahrzehnte. Und dann sind´s die Frauen, die wiederkommen wollen. All die Kindheitserinnerungen…“

Und genau darum geht es, das vertraute Unterwartete. Für die ganze Familie. Fahrbereite Oldtimer stehen in den drei Hallen, hundert historische Motorräder (meist „Hercules“), Modellautos, aber eben nicht nur. Die studierte Betriebswirtschaftlerin: „Wir bedienen eine enorme nostalgische Klaviatur made in Germany. Und werden unterschätzt. Bei uns gibt es von alten Diaprojektoren und Triumph-Schreibmaschinen bis hin zur 50er-Jahre-Küche alles.“ Also auch Autozeitschriften, historische Telefone, Hefttacker, Radios, Diaprojektoren und Schreibwaren bis hin zu seltenen Blechdosen. Zeitgeschichte eben.

Sie erzählen von der rasch fortschreitenden Entwicklung in der Kommunikationstechnik: historische Telefone.

Das Sammler-Gen geerbt

Woher das alles kommt? „Mein Vater“, lacht Christine Cameron, „der nie zu bremsen ist, nicht mal, wenn er schläft“. Die Merks sind eine Immobilienfamilie – Gebäude kaufen und vermieten. Irgendwann machte Claus Merk Nägel mit Köpfen. Er ist stolz auf die Errungenschaften nach dem Krieg, stolz auf Ingenieure und Erfinder. Alle Exponate gehören ihm. Liebevoll restauriert, oft vor der Entsorgung gerettet. Kuriositäten, aber nie Gerümpel. „Wir haben viele, die uns ihre privaten Schätze anbieten“, freut sich die Chefin. Ihren Vater stört es nicht: Der erfasst alles emsig in seiner Computer-Datenbank, „denn der nächste Flohmarkt ruft schon“, lächelt die Tochter. 26 war sie, als sie begann, in die Sammel-Leidenschaft des Vaters wurde sie quasi hineingeboren.

Das Gebäude war eine alte Fenster-Fabrik, Claus Merk hat sie um- und ausgebaut, und es soll weiter so gehen: noch größer, gerne mehr Platz. Wer ein solcher Anhäufer ist, hat nie genug – weder Objekte noch Raum. Es gibt kein Depot im eigentlichen Sinne, erklärt die Leiterin: „Daher fällt schon die Auswahl schwer, wenn man mit Herzblut dranhängt. Unsere Exponate sind alle hochwertig.“ Doch es findet sich immer noch ein Plätzchen und noch ein Eck, und das ist das Authentische des „MMM“: überall Überraschungen. Die junge Frau dankbar: „Genau deshalb haben wir viele Stammgäste! Die entdecken ständig Neues. Sie lieben es, dass bei uns alles unverstellt ist, dass man nah rankommt. Und dass der Eintrittspreis keine Hürde darstellt.“

Innen wie außen hat das lichte Industriegebäude seinen eigenen Charme und wird auch für Feierlichkeiten gerne genutzt.

6 Euro kostet die Überraschungs-Welt der Nostalgie an der Klingenhofstraße, von den vielen Veranstaltungen und Festivitäten abgesehen, die das Museum in eigener Location anbietet: Hochzeiten, Events, Führungen, Schulklassen. Es gibt „Freunde des Hauses“, einen Monats-Stammtisch, Ende Juli eine Oldtimer-Rallye durch die Fränkische Schweiz. Und im Jahr 2019 eine Sonderausstellung zu „Wanderer“-Fahrrädern und den absolut seltenen Automobilen der Marke „Dux“.

Wen wundert´s. Die Leiterin ist quirlig, immer unterwegs: Wer sich bei ihr nicht aufgehoben fühlt, ist selbst schuld. Im „MMM“ ist nichts von der Stange, „wir wollen uns jeden Tag verbessern“, schildert sie ihren Ehrgeiz. Sie, die „Direktorin und Mädchen für alles“, wie sie sich selbst nennt. Fachfrau, Kauffrau, PR-Frau. Oder Trösterin: „Wenn mal wieder eine Besucherin klagt, ihr Mann sammle so viel. Wenn die bei uns war, ist sie beruhigt: So schlimm kann ihr Gatte gar nicht sein“, und dann lacht Christine Cameron. Und weist auf die Bierhumpen da, die Rechenmaschinen dort. Regalweise. Und ist es nicht zu spüren, dass sich jeden Moment wieder das große Hallentor öffnet – war denn schon wieder Flohmarkt, Auktion, Raritätenschau?

Merks Motor Museum

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