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8 / 2 / 2017

Ich reiste mit Hitlers Kopf im Koffer

Henrike Claussen holte eine Büste aus den USA – und erlebte Überraschungen

Wenn Kunst oder historische Objekte auf Reisen gehen, werden sie in der Regel von Kurieren begleitet. Henrike Claussen, Leiterin des Memoriums Nürnberger Prozesse, holte einen Hitlerkopf im Handgepäck aus den USA. Ihre Erlebnisse mit der Führer-Büste waren alles andere als angenehm.

Frau Claussen, warum wollten die Amerikaner Hitlers Kopf unbedingt loswerden?

Henrike Claussen: Es war anders: Eine alte Dame meldete sich bei uns. Sie besitze einen Bronzekopf von Hitler, der ursprünglich aus Nürnberg stammte – und in die richtigen Hände kommen sollte. Weil wir vermuteten, dass der Kopf aus dem Gerichtsgebäude stammte, war das Memorium damit befasst.

Warum mussten Sie den Kopf tatsächlich holen, kann man das nicht aus der Ferne prüfen?

Fotos sind hilfreich, aber nur die echte Büste kann man von allen Seiten anschauen. Wenn man Glück hat, findet man ein historisches Foto, und kann sie genau in den Winkel drehen. Dazu kommt, dass Hitler-Büsten natürlich Massenware waren. Wir wussten aber, dass diese qualitativ hochwertig war und ein bisschen überlebensgroß – sie musste auf einem Sockel gestanden haben. Als ich dann in die USA reiste, haben wir eine Übergabe vereinbart.

Ausstellungsraum zum Thema "Führer-Kult" im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Foto: Stefan Meyer

Ausstellungsraum zum Thema „Führer-Kult“ im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Foto: Stefan Meyer

Hatten Sie schon eine Vorahnung, was Sie erwartet?

Ja. Über die letzten Jahre hatte ich mich damit befasst, wie es rechtlich aussieht. Was darf man zeigen, was sind verbotene Symbole? Zur Sicherheit habe ich beim Nürnberger Flughafen angerufen und gesagt, ich komme mit Hitlerkopf und einer großen Hakenkreuzfahne. Aber wie die Situation in anderen Ländern ist – keine Ahnung. Ich habe deshalb einen Schenkungsvertrag gemacht, der an die Stadt Nürnberg gerichtet ist, in dem aber explizit mein Name genannt wurde. Das Dokument hatte ich in Deutsch und Englisch bei mir.

Hat das geholfen?

Bis New York, wo ich einen Zwischenstopp hatte, war alles kein Problem. Beim Abflug aber wurde ich schon mit meinem Handgepäck zur Seite gewinkt – bei der Durchleuchtung kann man Hitlers Profil schon erkennen… Vor mir stand ein Schrank von einem Sicherheitsbeamten und holte die Büste heraus, die ich in Blister-Folie verpackt hatte. „Ist das Hitler?“ fragte er so laut, dass es mir peinlich war. Und dann wollte er wissen, ob ich die selbst gemacht hätte. „Sehe ich etwa so aus?“ war meine Antwort. Da fand ich’s ja noch lustig – in gewisser Art und Weise.

Henrike Claussen, die Leiterin des Memoriums Nürnberger Prozesse. Foto: Brigitte List

Henrike Claussen, die Leiterin des Memoriums Nürnberger Prozesse. Foto: Brigitte List

Hitler hatte Ihnen ja schon zugesetzt, bevor Sie ins Flugzeug stiegen…

Er ist mir quasi in den Rücken gefallen. Als ich in New York aus dem Auto stieg, hatte es geschneit und war sehr kalt. Auf einer Eisplatte bin ich ausgerutscht und hintüber gefallen, auf den Kopf, den ich in einer Umhängetasche trug. Er hat mir eine Rippe gebrochen und, was schlimmer war, die Niere gequetscht!

Sie landeten dann in Amsterdam.

In Amsterdam war die Security richtig geschockt. Sie haben mich rausgefischt und mit fünf Leuten belagert, bestimmt 20 bis 30 Minuten lang. Ich hatte den Vertrag dabei, ich habe beteuert, dass ich aus einer Einrichtung komme, die sich kritisch mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzt – aber erst, als dann einer den Vertrag gelesen hat, hat sich die Situation entspannt. Ich durfte dann gehen und „meinen Hitler“ mitnehmen.

Wie haben Sie die Situation erlebt?

Verstörend für mich. Ich war ja vorbereitet, dass ich an den Grenzen erklären müssen würde, warum ich mit Hitlers Kopf reise. Aber ich war emotional einfach nicht darauf gefasst, dass ich für einen Neo-Nazi gehalten würde.

In Blister-Folie verpackt steht die Hitler-Büste in den Verwaltungsräumen des Memoriums. Foto: Brigitte List

In Blister-Folie verpackt steht die Hitler-Büste in den Verwaltungsräumen des Memoriums. Foto: Brigitte List

Wo ist die Büste jetzt?

Aktuell haben wir sie noch im Büro deponiert. Ich bin noch mit der Recherche beschäftigt: Im Gerichtsgebäude war sie nicht, aber wohl in einem anderen öffentlichen Gebäude.

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