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2 / 7 / 2015

Dem Kasperl sein Kopf

Der Aufruf des Spielzeugmuseums trat eine Lawine los: Dutzende Menschen, die in der Nachkriegszeit aufgewachsen sind, erinnerten sich an ihr „Notspielzeug“. In der Zeit des Mangels nahmen Kinder und Erwachsene einfache Materialien und Reste, verwandelten sie mit viel Phantasie beispielsweise in Puppen, Autos oder eine Ritterrüstung. Das liebgewonnene Spielzeug hat oft Jahrzehnte überlebt, nun ist es vom 26. Juni bis 1. Februar 2016 im Spielzeugmuseum ausgestellt. Helmut Leistner aus Erlangen ist einer der Leihgeber.

Es muss 1948 oder 1949 gewesen sein, erinnert er sich. Im Garten und dem Hof der mütterlichen Bettfedernreinigung hatten die Kinder aus der Erlanger Glückstraße „viel Gelegenheit zu spielen“. Einige Wochen lang war das von Helmut Leistner selbstgebaute Kasperltheater der große Renner: Für fünf Pfennig Eintritt erhielten die jungen Zuschauer zur angerührten Brause ein sehenswertes Drama.

Der Kasperl spielte mit, natürlich, seinen Kopf hatte der neunjährige Helmut mit Stechbeitel und Feile aus einem Stück Dachlatte herausgearbeitet. Einen König gab’s auch, der hatte eine Papierkrone auf und die Gretl aus Wolle ein paar Haare. Das Gesicht ein bisschen bemalt, ein Stückchen Stoff umgehängt, „das genügt für Kinder, weil sie Phantasie haben“ sagt Helmut Leistner. Die kleinen Stücke stammten aus einem Büchlein, ihr Inhalt und die Besetzung wurden für das Hinterhoftheater passend gemacht. Vorstellungen waren sporadisch, aber gefeiert.

Helmut Leistners selbstgebautes Theater, um 1950. Bildnachweis: Helmut Leistner

Helmut Leistners selbstgebautes Theater, um 1950. Bildnachweis: Helmut Leistner

Länger als zwei, drei Wochen hat der Spaß nicht gedauert – dann wandten sich die Kinder schon Neuem zu. „Das Schönste ist ja die Arbeit, bis es steht“, bilanziert Helmut Leistner. So wurde die Bühne des Kasperltheaters, die aus Latten, einer Dreiecksplane und einem Stück Inlett gezimmert war, bald von einem Häuschen aus gesammelten Backsteinen abgelöst. Darin kochten die Kinder auf einem gefundenen Herd sogar Tee.

Arme Zeiten? „Als Kind empfindet man das nicht so“, erzählt Helmut Leistner. Sicher, aufs Brot wurde Zucker gestreut, der in einer Kaffeemühle extra fein und sparsam gemahlen wurde, und statt Bonbons gab es allenfalls Halstabletten zu lutschen. Aber die Phantasie, das Spielen, die vielen Kinder! Das war anders als heute, viel freier und irgendwie abenteuerlich.

Für die Ausstellung im Spielzeugmuseum hat Helmut Leistner noch einmal einen Kasperlkopf nachempfunden und ihn mit Originalwerkzeug von damals aus einem Stück Dachlatte gearbeitet. Eines aber streitet er rundweg ab: „Ich gehe gern ins Theater, hatte mit meiner Frau 40 Jahre lang ein Abonnement in Erlangen – aber mit dem Kasperltheater hat das nichts zu tun.“

Informationen zur Ausstellung „Notspielzeug. Die Phantasie der Nachkriegszeit“

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