Museenblog Nürnberg

Neueste Beiträge

Kategorien

6 / 4 / 2016

Dürers Harem

14 Frauen schlüpfen abwechselnd in die Rolle von Ehefrau Agnes

„Ich begrüße Sie ganz herzlich in meinem Haus“, sagt Walburga Rath. Als Agnes Dürer empfängt sie heute 32 Gäste zur öffentlichen Führung durchs Albrecht-Dürer-Haus. In jeden Winkel werden sie blicken und jede Menge Neues erfahren über das Leben vor rund 500 Jahren und den berühmten Maler.

„Mein Mann war ein Superstar“, sagt Agnes. Sogar der Michelangelo verneigte sich vor Dürers Werk in Venedig, wohin Albrecht zwei Mal reiste. „Die Farben, das Meer…“, schwärmt Agnes von Italien. Sie blieb in Nürnberg, führte das große Haus am Tiergärtnertorplatz und natürlich die Geschäfte. Walburga Raths Augen blitzen, wenn sie als Agnes aus dem Leben mit dem genialen Künstler erzählt. Die Sache mit dem Hasen zum Beispiel. Dürers Hasen. Albrecht zähmte ihn als Jungtier und behielt ihn neun Jahre: „Er war ein besserer Hund und biss unseren Gästen in die Hacken.“

"Agnes Dürer" im Dürer-Saal zwischen zwei Selbstportraits ihres Mannes.

„Agnes Dürer“ im Dürer-Saal zwischen zwei Selbstporträts ihres Mannes.

Geschichten wie diese sind es, die im Museum die Geschichte lebendig werden lassen. „Ich erzähle nur, was wahr ist“, beteuert die Agnes. In deren Haut schlüpft Walburga Rath seit 15 Jahren. Die frühere Arzthelferin mit Faible für Rembrandt und Vermeer war durch eine Anzeige aufmerksam geworden, sie bewarb sich – und hat sich dann vier Monate lang in das Leben Dürers und den Alltag der Renaissance eingelesen. Natürlich gibt es ein Skript, an dem sich die Darstellerinnen der Agnes orientieren. Aber das genüge nicht, sagt Walburga Rath. Zumal jede der insgesamt 14 Agnesen die Rolle mit ihrer Persönlichkeit füllt.

Walburga Rath etwa stammt aus Ostwestfalen und spricht lupenreines Hochdeutsch, um das sie viele ihrer Zuhörer beneiden. Eine andere Agnes dagegen kultiviert ihr Fränkisch. Auch die Altersspanne ist groß: Zwischen 40 und 70 Jahre alt sind die Darstellerinnen, unter ihnen viele Lehrerinnen. Was sie vereint, ist die Liebe zur ungewöhnlichen Rolle und zu Agnes Dürer.

„Ihr ist sehr viel Unrecht getan worden“, sagt Walburga Rath. Als streitbare Alte, die nur das Geld im Kopf hatte, war sie verschrien. Das ändert sich gerade. Agnes Dürer, geborene Frey, stammte aus einer Bankiersfamilie. Sie bewirtschaftete das Haus, vermarktete Albrechts Kunst und reiste dafür bis nach Köln und Aachen. „Sicher: Sie war eine resolute Person, aber…“, sagt Walburga Rath. Zur damaligen Zeit, als Frau, allein – davor hat die heutige Agnes allergrößten Respekt.

Als Hausherrin führt sie ihre Gruppe aus der Tenne in den Saal. „Ich möchte Ihnen den Vater meines Mannes vorstellen“, wendet sie sich an die Zuhörer und deutet auf ein Porträt. Es ist Albrecht Dürer senior, der Goldschmied war und aus Ungarn stammte, daneben Dürers Lehrer Michael Wolgemut. Über die Kindheit und Jugend des Malers kommt Agnes auf das komplizierte Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter zu sprechen, die 18 Kinder gebar und Agnes wegen ihrer Kinderlosigkeit schikanierte.

"Agnes Dürer" in einem der sogenannten Wanderer-Zimmer vor dem Portrait ihrer Schwiegermutter.

„Agnes Dürer“ in einem der sogenannten Wanderer-Zimmer vor dem Porträt ihrer Schwiegermutter.

Natürlich wollen, wenn es schon so persönlich zugeht, die Gäste auch Intimes wissen. Die häufigsten Fragen an Agnes: Sind sie wirklich 500 Jahre alt? Haben Sie ihren Mann geliebt? („Unsere Ehe war nicht einfach. Aber leben Sie mal mit einem Genie zusammen!“) Tragen Sie Unterwäsche? Aber ja, in der heutigen Zeit. „Zu meiner Zeit trugen Frauen drunter mehrere Röcke übereinander.“ Ihr Gewand hat Walburga Rath den heutigen Gewohnheiten angepasst, im Stil aber sind der blaue Rock und das samtene Wams, ein großes Schnupftuch, der baumelnde Geldbeutel und natürlich die fein bestickte Haube nach der Mode der Renaissance gestaltet. Zehn Minuten –  „mit Lippenstift“ – braucht die heutige Agnes, um in die Kleider hineinzuschlüpfen und sich auf die nächste Führung vorzubereiten.

Sie spricht vor – oder besser spielt – mit Kindergartenkindern, mit Schülern, mit Erwachsenengruppen. „Es macht mir unglaublich viel Freude“, sagt Walburga Rath. Wenn sie davon erzählt, wie man lebte, was Albrecht malte und wer ein und ausging im Haus – dann spricht ihre Mimik Bände und große Gesten unterstreichen das Gesagte. Falls die Aufmerksamkeit der Zuhörer abschweift, legt diese Agnes schon einmal die Hand auf den Arm oder stellt sich demonstrativ neben tratschende Achtklässler.

Aber eigentlich kann man sich das gar nicht vorstellen, dass die Gedanken wandern, wenn Walburga Rath von Dürer erzählt. „Das glauben Sie nicht…“, beginnt sie und schildert, wie die Tür aufgeht und ein Reisender an einer Kette einen Affen hineinzieht.  Ein Geschenk. „Ich dachte erst, das ist ein Gorilla!“ Aber es war „nur“ eine Meerkatze, die sogleich die Balken im neuen Zuhause emporkletterte. Das Äffchen schaut aus Dürers Kupferstich „Madonna mit der Meerkatze“ dem Betrachter direkt ins Gesicht.

Informationen zu den Kostümführungen mit Agnes Dürer

3 Kommentare zu “Dürers Harem

  • Helma Hamisch, Berlin
    13 / 1 / 2017 | 10:14

    Im Rahmen einer Silvesterreise mit Berlin-Express haben
    wir am 31.12.2016 das Dürer-Haus besucht. Die Führung wurde
    von Frau Michaela Pospiech vorgenommen. Wir waren allesamt
    begeistert wie lebendig, authentisch und schlagfertig die Agnes
    Dürer dargestellt wurde. Kompliment an Frau Pospiech!!!

    • Michaela Pospiech (Agnes Dürer)
      7 / 6 / 2017 | 15:27

      Sehr geehrte Frau Hamisch, ich habe soeben Ihren positiven Kommentar über meine Führung gelesen. Ich möchte mich herzlich dafür bedanken. Ich bin soeben per Zufall darüber „gestolpert“ und habe mich sehr gefreut. Vielleicht bis in 500 Jahren!

  • Johannes Becher
    29 / 10 / 2019 | 19:35

    Meine Frau und ich hatten eine ganz wunderbare Zeit, heute im Dürer-Haus, lehrreich, unterhaltsam, nachdenklich und anrührend zugleich. Vielen Danke liebe Frau Rath!

Kommentare sind für diesen Beitrag deaktiviert.