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19 / 10 / 2016

Tatort Museum: Der Alleskönner

Urs Latus hat viele Talente. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Spielzeugmuseums konzipiert und gestaltet er Ausstellungen, kennt sich in der Sammlung aus wie in seiner Westentasche und pflegt den Kontakt zu anderen Häusern. Als Restaurator haucht er angeknacksten Stücken neues Leben ein und konserviert das Spielzeug der Jahrhunderte, manche Modelle und bespielbare Ausstellungsteile baut er gleich selbst. Vom Alltag eines Alleskönners:

„Gut, dass ich im Mangel groß geworden bin – da lernt man zu improvisieren“, sagt Urs Latus und lächelt fein. Er ist noch in der damaligen DDR aufgewachsen und weil Not erfinderisch macht, hat er sich für die kommende Sonderausstellung „Mit Pauken und Trompeten“ einiges einfallen lassen. Hat einen Blasebalg so gebaut, dass der eine Triola mit Luft versorgt, hat dem Clownsgesicht eine quietschende Nase verpasst und bespielt mit einer Luftmatratzenpumpe eine Flöte. Denn Kinder sollen ruhig Musikinstrumente ausprobieren und sogar Krach machen in der Ausstellung – die Blasinstrumente dürfen sie aus hygienischen Gründen aber nicht in den Mund nehmen.

Die „Quitschkommode“ für die kommende Sonderausstellung.

Die „Quietschkommode“ für die kommende Sonderausstellung.

Jede Vitrine ist eine Inszenierung

Auch das will bedacht sein. Dabei hat der Arbeitstag von Urs Latus heute mit ganz anderem begonnen: Er trägt drei Farbausdrucke zu seinem Schreibtisch, wo der Computer schon läuft. Die Gemälde und Zeichnungen von Kindern mit Musikinstrumenten sollen Hintergrund sein für eine Vitrine, deren Gestaltung und Grafik Urs Latus selbst macht: „Ich habe alles im Kopf, da sind Zugang und Zugriff sehr schnell.“ Das Thema, die Inhalte, die Ästhetik und nicht zuletzt die Umsetzung greifen im Museum ja nahtlos ineinander. „Im Grunde ist jede Vitrine eine kleine Inszenierung“, sagt Urs Latus.

Wie er zum Spielzeug gekommen ist? Urs Latus holt weit aus. Er stammt aus dem Thüringer Wald, da wo die Puppenindustrie der DDR zuhause war. Die Mütter seiner Klassenkameraden fertigten Puppen in Heimarbeit, eine Freundin der Mutter war Spielzeugdesignerin und Latus‘ Vater selbst Kunsterzieher. Dass er Restaurator werden wollte, wusste Urs Latus schon früh. Nach dem Abitur machte er zunächst eine Schreinerlehre und ging, als die Mauer fiel, gleich 1991 ans Germanische Nationalmuseum.

Kopfarbeit und Handwerk

Sein dortiger Mentor riet ihm, neben der Ausbildung zum „Restaurator für Kunsthandwerk“ doch zu studieren: „Dann können Ihnen die Kuratoren nichts vormachen.“ Für Urs Latus, der sich für Kunstgeschichte und Archäologie entschied, genau das Richtige. „Ich brauche was für den Kopf und für die Hände.“ Als er 1994 vom Spielzeugmuseum abgeworben wurde, war er zunächst als Restaurator gefragt.

Auf dem Tisch in der Werkstatt liegen die Instrumente noch heute sauber geordnet wie ein chirurgisches Besteck. Pinzette, Spachtel, scharfe Messer und eine Zahnarzt-Kürette. Sie dient zur Reinigung. Zum Beispiel für den blitzenden Herd, den die Firma Bing 1893 zur Weltausstellung nach Chicago sandte. Immer wieder ist er – wahrscheinlich mit haushaltsüblichen Mitteln – poliert worden. Deren Rückstände entfernt der Restaurator sorgfältig, denn in Verbindung mit der Luftfeuchtigkeit könnten sie dem Grünspan Nahrung bieten und damit die Korrosion beschleunigen. Unschön wäre das! Vor allem weil das wertvolle Stück demnächst an das Museum der Bayerischen Geschichte nach Regensburg entliehen wird.

Pinsel, Schere, Kleber der verschiedensten Sorten und feine Einschlagpapiere – all das gibt es hier. Aber auch Bohr- und Schleifmaschinen. Denn Urs Latus baut auch Modelle, die dann in Serie gehen. Wie den hölzernen Turm, den er 2000 zum 950-jährigen Stadtjubiläum Nürnbergs gedrechselt hat. Sieht aus wie ein echter, kann als Würfelbecher dienen und ist über den Museumsshop hinaus berühmt geworden, als ihn auch die Spielwarenmesse haben wollte. Oder die Weltkugel mit Playmobil-Männchen. Ein Hula-Hoop-Reifen ist der Äquator, simple Drähte spannen die Kugel auf. Seit das Bild über dpa lief, sieht Urs Latus „seine“ Erfindung immer wieder.

Die Weltkugel mit Playmobil-Männchen von 2013. Foto: Uwe Niklas

Die Weltkugel mit Playmobil-Männchen von 2013. Foto: Uwe Niklas

Sorry – das ist unser Alleinstellungsmerkmal

Aber die große Landkarte der Spielzeughersteller, die gibt es nur im Spielzeugmuseum. Dafür hat Urs Latus mit einem Kinderbuchzeichner zusammengearbeitet und die bedeutenden Orte und Regionen in Deutschland mit den dazugehörigen Spielzeugen geschmückt. Ausleihen oder kopieren? Sorry, das geht leider nicht – das Alleinstellungsmerkmal soll bleiben.

Die Landkarte der Spielzeughersteller im Spielzeugmuseum. Foto: Uwe Niklas

Die Landkarte der Spielzeughersteller im Spielzeugmuseum. Foto: Uwe Niklas

Sonst ist Urs Latus da gar nicht so. Schließlich ist er für die Anfragen ans Spielzeugmuseum zuständig. Wenn Bürger fragen, ob das alte Modellauto etwas Besonderes ist, wenn andere Häuser Leihgaben wünschen – wie aktuell Granada und Tel Aviv und natürlich Museen in Deutschland – oder wenn Kollegen aus anderen Städten etwas wissen wollen. Urs Latus kümmert sich auch um die Fachbibliothek, er beobachtet den Markt und besucht Messen. Im Kopf hat er dabei immer schon, was in der Flut der Neuentwicklungen später einmal „für die Zeit stehen“ könnte.

spielzeuglandkarte-detail

Nah an Geschichte und Kulturgeschichte

Nach wie vor finden der Kunsthistoriker, der gerade seine Doktorarbeit vorgelegt hat, wie auch der Restaurator Latus das Thema Spielzeug reizvoll. „Alles, was es in der großen Welt gibt, gibt es auch in klein als Spielzeug“, sagt er, „man ist immer ganz nah an der Geschichte und der Kulturgeschichte.“ Beruflich. Und privat? Gab es in Urs Latus‘ eigener Familie „eher wenig“ Spielzeug: Die drei großen Kinder haben ihre Spielsachen lieber zusammen mit dem Vater gebastelt, die kleine Tochter hat ihre Triola für die kommende Ausstellung „spendiert“.

Informationen zur Ausstellung „Mit Pauken und Trompeten“

2 Kommentare zu “Tatort Museum: Der Alleskönner

  • mathias zahn, dipl. designer
    6 / 2 / 2017 | 22:23

    Der Herr Latus und seine kleinen Kunststücke – ein Mensch mit Wissen und Können, dessen Ausstellungen nicht die Bespielung brauchen, sie sind das Spiel. Und auch lobenswert ist der klar animierte Webauftritt der Nürnberger Museen mit schöner Anmutung und interessanten neuen Inhalten.

  • Anke Wendl – Auktionshaus Rudolstadt
    21 / 3 / 2017 | 23:01

    „Der Alleskönner“ – ja, das trifft die Beschreibung von Urs Latus! Schon als Jugendlicher war er ein wahrer „Holz-Versteher“, der sich die erzgebirgische Kunst des Reifendrehens selber aneignete. Seit dem kennen wir uns und ich bin froh und dankbar, dass ich Urs fragen kann, wenn ich bei der Einordnung eins alten Spielzeuges nicht sicher bin. Bemerkenswert breit gefächert und umfassend ist sein Wissensstand, den er sich durch akribische Vor-Ort- und Literaturrecherchen, die aktive Aneignung der alten Handwerkstechniken, unendlichem Fleiß und Hartnäckigkeit erarbeitet hat. Last but not least wäre da noch sein feinsinniger Humor, der auch aus seinen eigenen Holzminiaturen und formschönen Holzobjekten spricht. Online zu finden unter http://www.drechselstuecke.de. Hut ab!

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