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7 / 7 / 2016

Vielfalt und Vernetzung

62. bundesweites Gedenkstättenseminar

Überraschend – wie viele verschiedene Gedenkstätten, NS-Dokumentationszentren und andere Erinnerungsorte in Deutschland es gibt!
So zumindest der erste Eindruck, den man beim 62. bundesweiten Gedenkstättenseminar gewinnt. An drei Tagen, vom 16. bis 18. Juni 2016, kamen gut 130 VertreterInnnen verschiedenster Gedenkstätten und Erinnerungsorte aus ganz Deutschland in Nürnberg zusammen. Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände durfte gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der Stiftung Topographie des Terrors der diesjährige Gastgeber sein.

Was für ein Spektrum!

Über den künftigen Umgang mit der Zeppelintribüne auf dem Reichsparteitagsgelände wurde in den letzten Monaten nicht nur in Nürnberg heiß diskutiert. Ebenso wurde auch über das 2015 fertiggestellte NS-Dokumentationszentrum in München schon vor der Eröffnung viel berichtet.

Doch wer kennt schon den Bückeberg bei Hameln als einen ehemaligen Ort des Nationalsozialismus? Von 1933–37 wurde hier mit dem Reichserntedankfest eine der größten Massenveranstaltungen der NS-Diktatur inszeniert. Bis zu eine Million Teilnehmer kamen dafür zusammen. Heute weist nicht eine einzige Informationstafel auf die Geschichte des Ortes hin. Ohne staatliche oder städtische Unterstützung arbeitet eine Bürgerinitiative hier für mehr Öffentlichkeit und Vermittlung.

Auf dem Bückeberg bei Hameln findet von 1933 bis 1937 alljährlich das "Reichserntedankfest" statt. Nach 1945 werden technische Ausstattung und Aufbauten geplündert. Der von Albert Speer gestaltete Festplatz selbst bleibt aufgrund der Nutzung als Schafweide komplett erhalten, der erhöhte Mittelweg ist bis heute deutlich erkennbar. Erst seit 2011 steht dieser bedeutende NS-Kultort unter Denkmalschutz. Mittelfristig sollen ein Rundweg und eine Dokumentationsstätte über die Ortsgeschichte informieren. Bildnachweis: Bernhard Gelderblom

Auf dem Bückeberg bei Hameln fanden von 1933 bis 1937 alljährlich das „Reichserntedankfest“ statt. Nach 1945 wurden technische Ausstattung und Aufbauten geplündert. Der von Albert Speer gestaltete Festplatz selbst blieb aufgrund der Nutzung als Schafweide komplett erhalten, der erhöhte Mittelweg ist bis heute deutlich erkennbar. Erst seit 2011 steht dieser bedeutende NS-Kultort unter Denkmalschutz. Mittelfristig sollen ein Rundweg und eine Dokumentationsstätte über die Ortsgeschichte informieren. Bildnachweis: Bernhard Gelderblom

Einerseits also große Unterschiede in der Erinnerungslandschaft. Andererseits werden während des Seminars auch verbindende Gemeinsamkeiten wie der hohe Anspruch an die eigene Professionalität und die Vermittlungsarbeit deutlich.

Input erwünscht

Neben fachlichem Austausch und Netzwerkpflege standen aber auch konkrete Fragen der Vermittlung zur Diskussion: Wie kann man dem Ausstellungsbesucher die Faszination von Propagandabildern vermitteln, gleichzeitig aber auch die quellenkritische Auseinandersetzung damit? Wie sollen Gedenkorte mit aktuellen gesellschaftlichen Themen umgehen? Wie findet Vermittlung in der Zeit nach der Zeitgenossenschaft statt?
Zudem erhofften sich die Nürnberger Gastgeber – besonders im Hinblick auf die für 2021 ins Haus stehende Neukonzeption der Dauerausstellung – Impulse, Meinungen und Erfahrungen anderer Ausstellungsmacher.

Blick vom Seminarraum zur Zeppelintribüne.

Blick vom Seminarraum zur Zeppelintribüne.

Anspruchsvolles Programm

Die drei Seminartage waren gefüllt mit Vorträgen, Führungen, Workshops, Diskussionen und einer gemeinsamen Exkursion nach Hersbruck, KZ-Außenlager von Flossenbürg. Trotz dieses straffen Programms blieb auch noch Zeit für den Genuss der fränkischen Diätküche, wie Oberbürgermeister Maly es scherzhaft in seiner Begrüßungsrede formulierte, und gemeinsames Fußballschauen.

Bei der abschließenden Plenumsrunde im Saal 600, Memorium Nürnberger Prozesse, war dann noch Platz für ein Fazit, Manöverkritik und Verabredungen zur intensiveren Zusammenarbeit.

Das nächste bundesweite Gedenkstättenseminar ist schon in voller Planung und wird vom 22.-24. Juni 2017 stattfinden. Gastgeber wird die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen sein.

Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen: Turm A, ehemaliger Sitz der SS-Lagerverwaltung und Eingang in das Häftlingslager, 2009. Bildnachweis: Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten

Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen: Turm A, ehemaliger Sitz der SS-Lagerverwaltung und Eingang in das Häftlingslager, 2009. Bildnachweis: Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten

Was bleibt nach drei intensiven Tagen?

Konsens darüber, dass die vielfältige und dezentrale Erinnerungslandschaft in Deutschland erhaltenswert ist. Dass Ausstellungsmacher mutig sein dürfen. Dass Vernetzung wichtig bleibt. Dass sich diese Orte dem gesellschaftlichen Wandel gegenüber nicht verschließen werden und auch in der Zeit nach der Zeitgenossenschaft relevant sind. Und dass die fränkische Diätküche vielleicht doch nur ein Gerücht ist.

Stiftung Topographie des Terrors
Informationen zum künftigen Umgang mit dem Reichsparteitagsgelände

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