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25 / 5 / 2016

Refugees welcome.

Wie Philipp van Oyrl zum Nürnberger wurde

Im Jahr 1585 floh der niederländische Tuchhändler Philipp van Oyrl aus Antwerpen nach Nürnberg. Nach einjähriger Belagerung war Antwerpen gerade von spanischen Truppen eingenommen worden. Der neue katholische Statthalter, Alessandro Farnese, hatte verfügt, dass alle Protestanten entweder konvertieren müssten oder die Stadt zu verlassen hätten. Van Oyrl, Calvinist, entschied sich zur Ausreise – nicht zuletzt auch deshalb, weil die niederländischen Streitkräfte nach dem Verlust Antwerpens die Schelde blockiert hielten, den wichtigsten Seehandelsweg der Stadt. Seine wirtschaftliche Grundlage als Tuchhändler war damit ruiniert; Antwerpen bot ihm auf lange Sicht nur noch Armut, Verfolgung und Krieg.

Neue Heimat Nürnberg

Den Nürnberger Rat erfreute die Ankunft van Oyrls. In der Reichsstadt war man bestrebt, den Ausfall Antwerpens als Zentrum von Tuchhandel und Textilverarbeitung rasch zu kompensieren. Zu diesem Zweck hatte man neben dem Erlass von Zoll- und Handelsprivilegien für die Textilbranche bereits eine stattliche Anzahl niederländischer Facharbeiter nach Nürnberg geholt. Ein erfahrener Tuchhändler wie van Oyrl mit all seinen Kontakten, Einblicken und Fertigkeiten kam da gerade recht. Folgerichtig versuchte der Rat, van Oyrl zum Bleiben zu bewegen und ihn langfristig an die Stadt zu binden.

Erbauer des heutigen Stadtmuseums

Der jedoch zögerte mit seinem Bekenntnis zu Nürnberg. Immer wieder schob er den notwendigen Erwerb des Bürgerrechts auf und erbat sich Bedenkzeit. Das allerdings brachte ein nicht unbedeutendes Problem mit sich: Van Oyrl durfte als bloßer „Schutzverwandter“ keinen Immobilienkauf in Nürnberg tätigen. Für den Erwerb seines zukünftigen Wohnhauses in der Burgstraße musste im Sommer 1590 also kurzerhand ein Strohmann her, der in seinem Landsmann und Glaubensbruder Stephan von Quickelberg auch schnell gefunden war. Dem Nürnberger Rat jedoch blieb dieser Winkelzug nicht verborgen. Man zeigte sich ungehalten und erhöhte weiter den Druck auf van Oyrl, der zwei Jahre später dann endlich nachgab und das Nürnberger Bürgerrecht doch noch erwarb.

Mit dem Beginn der Bauarbeiten in der Burgstraße war van Oyrls Entscheidung, Nürnberg zu seinem dauerhaften Wohn- und Geschäftsort zu machen, endgültig gefallen. Der vermögende Kaufmann ließ ein standesgemäßes Anwesen errichten, welches uns bis heute erhalten geblieben ist: das Fembo-Haus, heute Stadtmuseum. Van Oyrl steckte in den folgenden Jahren beträchtliche Summen in den Ausbau des Gebäudes – und übernahm sich womöglich. Kurz vor seinem Tod im Jahre 1605 geriet seine Firma, die Baumwolle, Rohseide, Goldgespinste, Tuche und Gobelins aus Flandern vertrieb, in wirtschaftliche Schieflage.

Die Südfassade des Fembohauses, Postkarte, 1928. Bildnachweis: Stadtarchiv Nürnberg (StadtAN A 5 Nr. 3280)

Die Südfassade des Fembohauses, Postkarte, 1928. Bildnachweis: Stadtarchiv Nürnberg (StadtAN A 5 Nr. 3280)

Krieg als Handelshemmnis

Nach seinem Tod übernahmen van Oyrls beide Söhne den väterlichen Betrieb. Verhindern konnten sie den schleichenden Niedergang des Unternehmens aber nicht mehr. Schuld daran waren auch die geopolitischen Umstände: Der Dreißigjährigen Krieg hatte mittlerweile den internationalen Handel faktisch zum Erliegen gebracht. Auch eine Erweiterung des Warensortiments auf kriegswichtige Güter wie Kupfer, Stahl und Eisen konnte den Bankrott nicht mehr abwenden. 1627 wurde die Firma schließlich abgewickelt.

Zum Glück erhalten: van Oyrls Wohnhaus

Und das Fembo-Haus? Über Umwege gelangte es gegen Ende des 17. Jahrhunderts in den Besitz von Christoph Jakob Behaim, der es zu einem glanzvollen patrizischen Stadtpalais umbauen ließ; heute dient es bekanntermaßen als Stadtmuseum. Sein Erbauer, Philipp van Oyrl, Tuchhändler, Flüchtling und Zuwanderer, liegt im Herzen Nürnbergs auf dem Johannisfriedhof begraben. Van Oyrls Heimat indes, Antwerpen, erlebte durch die massenhafte Ausweisung der protestantischen Bevölkerung und die noch über 200 Jahre (!) andauernde niederländische Seeblockade der Schelde einen beispiellosen wirtschaftlichen Niedergang.


Brigitte Korn war bis Anfang 2015 Leiterin des Stadtmuseums im Fembo-Haus und leitet jetzt das Stadtmuseum Erlangen.

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